Eine kurze Geschichte des Alpinismus
Aus heutiger Sicht ist sind Gipfelwanderungen und Bergsteigen selbstverständliche Dinge, jedoch war das nicht immer so. Noch weit bis ins 19. Jahrhundert hinein hatte das Bergsteigen nur wenig mit der Freude an der Bewegung und der damit verbundenen sportlichen Herausforderung zu tun. Historiker gehen davon aus, dass frühe Besteigungen meist aus symbolischen und religiösen Motiven unternommen wurden, auch wirtschaftliche und politische Gründe eine Rolle spielten. Im Allgemeinen mieden die Menschen die Berge.
Als Geburtsstunde und -ort dessen, was wir Alpinismus nennen, wird häufig die Erstbesteigung des Mont Ventoux in der französischen Provence am 26. April 1336 durch den Dichter Francesco Petrarca angeführt. Bis das Bergsteigen zum Breitensport werden würde, sollte es aber noch rund 400 Jahre dauern. Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert war es der Drang der Forscher und Entdecker – der Botaniker, Geografen und Geologen – die den ersten Impuls für den Alpinismus setzten. Dass die Romantik zur selben Zeit damit begann, die Natur für sich zu entdecken, half vermutlich dabei, die Berge als Sehnsuchtsorte zu etablieren und das Interesse am Bergsteigen massentauglich zu machen.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich der Alpinismus als Volkssport etabliert und institutionalisiert. Alpenvereine nahmen ungeheure Summen in die Hand, um Wege, Schutzhütten und Karten, kurz die benötigte Infrastruktur, bereitzustellen. Höhepunkt dieser Entwicklung war das sogenannte „Goldene Zeitalter des Alpinismus“, das 1854 mit der Erstbesteigung des Wetterhorns eingeleitet wurde und 1865 mit der Besteigung des Matterhorns endete. In diesen elf Jahren gelang es den Pionieren des Bergsteigens, einen Großteil der Gipfel im Alpenraum zu erschließen.
Nach den beiden Weltkriegen blieben nur noch wenige Gipfel unbesiegten und 1953 waren alle Achttausender erschlossen. 1986 war es Reinhold Messner, der als erster Mensch alle vierzehn Achttausender bestiegen hat – und das ohne zusätzlichen Sauerstoff. Bei seiner Besteigung des Mount Everest im Jahr 1978, wurde er vom Zillertaler Peter Habeler.
Die erste Frau, die alle Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestieg, war die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner im Jahr 2011.
Der Beruf des Bergführers, der zu Beginn nicht als Gewerbe galt und dessen Einkünfte nicht steuerpflichtig waren, professionalisierte sich mit dieser Zeit und entwickelte sich in die heutige Form. In den Anfängen waren es noch teils barfüßige Burschen und junge Männer, die Naturforscher auf Gipfel führten und sich somit etwas zu ihrem spärlichen Gehalt dazu verdienten. Durch Bestrebungen der Alpenvereine wurde das Bergführertum zu einem anerkannten Beruf und erlaubte so den Bergführern einen lukrativen Zuverdienst in den Sommermonaten. Schon bald erkannte man auch die touristischen Möglichkeiten, die mit dem Bergsteigen einhergehen, sodass mit der Geschichte der Bergführer auch eine Geschichte des Alpintourismus geschrieben werden kann – zumindest im Zillertal.
Ginzling und die Rolle der Zillertaler Bergführer
Die geschichtlichen Aufzeichnungen über die Zillertaler Bergführer beginnen mit den Berichten des Verwaltungsassistenten Freiherr Carl Ehrenbert von Moll und Franz de Paula von Schrank, die 1784 als Erste Land, Leute und die Umgebung genauer beschrieben. In ihren Aufzeichnungen erzählten sie bereits von Ginzling, der Floite und den Gletschern des Zemmgrunds. Ihr Bergführer war ein gewisser „Porsser“, der sich zu den Gletschern führte und mit dem sie am Abend in den Hütten der Melker einkehrten.
Die Besteigung des Ortlers mit seinen 3.095 m Höhe war die erste dokumentierte Gipfelbesteigung durch Zillertaler. Sie fand 1804 auf Geheiß von Erzherzog Johann von Österreich statt und benötigte mehrere Anläufe, ehe es zwei Zillertalern gelang, den Ortler zu erklimmen. Dieser Besteigung folgte die erste touristisch motivierte Bergbesteigung des Zillertals, welche auf die Ahornspitze in Mayrhofen führte. Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass die einheimischen Bergführer, die damals noch Senner und Bauern waren, den Gipfel aber schon vorher bestiegen hatten und den Weg hinauf bestens kannten. Weitere Besteigungen sollten folgen und bis 1893 waren schließlich alle Dreitausender des Zillertals erschlossen.
Bedeutende Bergführer
Unter den vielen bedeutenden Bergführern im Tal kann nur eine Hand voll an dieser Stelle hervorgehoben werden. Beginnen sollte man mit Georg Samer (1828–1912), auch „Stuaklauber Joseler“ genannt. Seinen Beinamen erhielt er aufgrund seiner Fachkenntnis als Strahler (wie man Steinsucher nennt), die ihn weit über das Zillertal hinaus bekannt machte und weshalb er als beliebter Wegbegleiter für Mineralogen galt. Dank seiner umfangreichen Fachkenntnisse über Minerale und Halbedelsteine, die er sich in langer praktischer Erfahrung aneignete, war Georg Samer zudem ein gern gesehener Gast auf geologischen Tagungen. Durch diese Kenntnis und sein Geschick als Bergsteiger und -führer, trug er maßgeblich zur wachsenden Bekanntheit des Zillertals bei.
Aus diesem Grund schenkten die neu entstandenen Alpenvereins Sektionen Prag und Berlin, dem Zillertal ihre Aufmerksamkeit. Unter großem finanziellem Aufwand wurden Wegnetzte ausgebaut und Hütten errichtet. Zur selben Zeit bemühte sich der junge Deutsche-Österreichischen Alpenverein darum, den Beruf des Bergführers offiziell zu etablieren. Diese Bestrebungen zeigten sich bald fruchtbar und ab 1865 konnten offizielle Bergführerkonzessionen erlangt werden. Die beiden ersten behördlich erfassten Bergführer des Zillertals waren die Ginzlinger David Fankhauser und Johannes „Honis“ Hörhager.
David Fankhauser kann als einer der Pioniere des Alpintourismus gesehen werden. Früh erkannte er nicht nur die Wichtigkeit des Bergführerdaseins, das vor allem der Sicherheit unerfahrener Gäste dient, sondern auch das touristische Potenzial dieser Aufgabe. Daher war es keine Überraschung, dass er zudem einen Beherbergungbetrieb bewirtschaftete. Als Gastwirt führte er den Gasthof Roßhag in Ginzling, welcher damals schon als einer der ersten Betriebe über elektrisches Licht und Zimmerservice verfügte. Fankhausers Angebot, das Gebirgstouren und eine ausgezeichnete Unterbringung umfasste, trug maßgeblich zum guten Ruf Ginzlings als Bergsteigerdorf bei. Aufgrund seines touristischen Spürsinns wurde er von der Alpenvereinssektion Berlin bei der infrastrukturellen Erschließung des Zillertals zu Rate gezogen, wodurch er an der Erbauung der ersten Berliner Hütte sowie dem Furtschaglhaus, beteiligt war.
Johannes „Honis“ Hörhager, Schwager von David Fankhauser, arbeitete mit dem Prager Alpenverein zusammen und betrieb die Dominikushütte am heutigen Schlegeisspeicher. Zu seinen maßgeblichen alpinistischen Leistungen gehörte die Überquerung des Tuxer Hauptkammes, vom Pfitscher Joch bis nach Mayrhofen im Jahr 1893. Darüber hinaus war er für sein Geschick als Wegebauer bekannt: Er verlegte hunderte von Steinplatten, um die vorhandenen Wege und Trampelpfade auszubauen. Eine weitere „Aufstiegshilfe“ stellen die Eisenbügel dar, die er am Schrammacher-Nordostgrat und an den Graten des Olperers in die Wände schlug. Zusammen mit der Bergsteigerfamilie Wechselberger unternahmen Johannes Hörhager und David Fankhauser rund 30 Erstbesteigungen mit Gästen und gelten daher als Wegbereiter des alpinen Tourismus.
Johann Fiechtl war ein weiterer herausragender Bergführer aus dem Zillertal, der in der Zeit von 1891 bis 1925 aktiv war. Fiechtl spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Kletterrouten und der Erschließung unzugänglicher Gebiete im Zillertal. Besonders bedeutend war seine Idee, Karabinerhaken zur Sicherung beim Klettern zu nutzen. Diese Innovation revolutionierte den modernen Klettersport und erhöhte die Sicherheit beim Klettern erheblich. Als fortschrittlicher Freigeist unternahm er auch unzählige Touren mit Bergsteigerinnen und unterstütze somit den damals noch jungen Damenbergsport.
Als Pionier des Skilaufens im Zillertal und erster Bergführer „auf Skiern“, war Heinrich Moser, der den Zillertaler als „Sagschneider Heinrich“ bekannt war. Früh erkannte er die Möglichkeiten, die der Wintersport für den Tourismus bot. Moser führte, die ersten Skitouren in der Region durch und war maßgeblich daran beteiligt, den Skisport im Zillertal zu etablieren. Seine Bemühungen trugen dazu bei, das Zillertal als Wintersportdestination zu prägen.
Alfons Hörhager war der erste offiziell anerkannte touristische Bergführer im Zillertal. Er setzte neue Maßstäbe in der Führung und Sicherheit von Touristen bei Bergtouren. Hörhager war bekannt für seine umfangreichen Kenntnisse der Bergwelt und seine Fähigkeit, auch unerfahrene Bergsteiger sicher zu führen. Seine Arbeit legte den Grundstein für den modernen Bergtourismus im Zillertal.
Die Geschichte der Zillertaler Bergführer ist eine Geschichte der sukzessiven Etablierung neuer Standards und des fortschrittlichen Denkens. Ohne ihre Visionen und Bemühungen wäre die touristische Erschließung des Zillertals nie möglich gewesen und der Alpinismus wäre nicht derselbe.
Moderne Bergführer
Auch heute noch ist der Bergsport eines der wichtigsten Urlaubsmotive im Zillertal, wenngleich die Beweggründe für das Bergsteigen heute andere sind. Wandern und Klettern erfüllen heute mehr einen Selbstzweck, bei dem es um die Lust an der Bewegung, das Verfeinern der Techniken und das Besteigen immer kniffligerer Routen geht.
Wie schon in früheren Zeiten bieten die aktuell mehr als 40 Bergführer, 140 Bergwanderführer sowie die 16 Alpinschulen des Zillertals, Erfahrenen wie Anfängern die Möglichkeit, den Alpinismus hautnah zu erleben. Die aktiven Bergführer bieten ihren Gästen Touren in den unterschiedlichsten Disziplinen zu jeder Jahreszeit: Bergsteigen, Klettern, Hochtouren, Wanderungen, Ausbildungskurse, Eisklettern, Skitouren, Schneeschuhtouren, Skihochtouren, Gipfeltouren und Spezialführungen im Ausland.